25.–27. Sept. 2024
Universität Trier
Europe/Berlin Zeitzone

Lehrerbildner*innen als Biographieträger*innen - Der Einfluss eigener biographischer Entwicklungsverläufe auf die Lehrpraxis Hochschullehrender

27.09.2024, 09:00
1 h 45m
B12 (B-Gebäude)

B12

B-Gebäude

Offenes Format Gesamtprogramm

Sprecher

Dr. Franziska Heyden (Universität Rostock)Dr. Miriam Hörnlein (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)Dr. Lea Kallenbach (Universität Erfurt) Claudia Zecher-Tatewosjan (Universität Rostock)

Beschreibung

Spezifische Fragestellungen und Inhalte
Für pädagogische Berufe formuliert schon Siegfried Bernfeld in den 1920er-Jahren eine prägnante Besonderheit pädagogischen Handelns: “So steht der Erzieher vor zwei Kindern: dem zu erziehenden vor ihm und dem verdrängten in ihm” (Bernfeld, 1971, 141). Gudjons schlussfolgert daraus, dass das eigene “Gewordensein” von Pädagog:innen einer Reflexion bedarf, um Handlungsmuster, Wertvorstellungen, Ablehnungstenzenden usf. zu erkennen und diese nicht unbewusst auf das Gegenüber zu übertragen (vgl. Gudjons, 2020, 26.). So verdeutlichen biographisch ausgerichtete Studien, dass Sicht- und Betrachtungsweisen von Lehrkräften von deren eigenen biographischen Erfahrungen beeinflusst werden (Kunze, 2011; Neuß, 2009). Mit Blick auf Professionalisierungsprozesse und professionelles Handeln (angehender) Lehrer:innen rückt so in den letzten Jahren die Bedeutung der (Gesamt-)Biographie als Professionalisierungsressource verstärkt in den Fokus (bspw. Epp, 2022; Junge, 2020). Empirische Befunde zur biografischen Arbeit am eigenen So-Gewordensein verdeutlichen zudem, dass diese selbstreflexive Kompetenz grundlegend für die Entwicklung professioneller Reflexivität im Lehrberuf ist (bspw. Epp, 2022; Hörnlein, 2020). Diese Erkenntnisse verweisen darauf, dass die seminaristisch eingebundene und methodisch angeleitete Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie bedeutsam für die Anbahnung von Professionalisierungsprozessen Lehrender ist.
Unter dieser Prämisse zur Spezifik des Berufsfeldes kann angenommen werden, dass biographische Erfahrungen Lehrender in der Lehrer:innenbildung ebenso von Bedeutung für deren (professionelles) Handeln sind. Eine solche Diskussion und die daran anknüpfende empirische Erschließung der Gesamtbiographien dieser Akteur:innengruppe und deren Bedeutung für die Praxis der Lehrer:innenbildung bleibt bislang fast vollständig aus (vgl. Nölle & Czerwenka, 2014, 471). Dies verwundert umso mehr, da davon auszugehen ist, dass der Personenkreis der Hochschullehrenden in der Lehrer:innenbildung im besonderen Maße Einfluss auf die Bildungs- und Berufsbiographien der Adressat:innen und somit auch auf deren Professionalisierungsressourcen hat.
Die Notwendigkeit einer verstärkten wissenschaftlichen Thematisierung dieses Aspektes der Lehrer:innenbildung wird vor dem Hintergrund aktueller bildungspolitischer Herausforderungen und Veränderungen im Schulsystem nochmals unterstrichen. So wird beispielsweise gegenwärtig, in Reaktion auf den akuten Lehrkräftemangel, eine Ausdifferenzierung der Zugangswege zum Lehrberuf vollzogen, was die Heterogenität von (Berufs)Biographien steigert. Hinzu kommt als weitere Facette die Diversität von Berufswegen des lehrer:innenbildenden Personals, etwa mit Blick auf die an der universitären Lehrer:innenbildung beteiligten Fächer (z.B. Psychologie, Schulpädagogik, Fachdidaktiken, Fachwissenschaften). Auch sind deren Zugangswege in die Lehrtätigkeit strukturell bedingt sehr heterogen - etwa über ein vorheriges Studium mit oder ohne Lehramtsbezug, einen zuvor absolvierten Vorbereitungsdienst oder eine Tätigkeit in der schulischen oder einer anderen pädagogischen Praxis, eine abgeschlossene Promotion oder Habilitation. Die Vielfalt dieser Berufswege steigert sich nochmals durch die unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Lehrtätigkeit im Rahmen der zweiten und dritten Phase der Lehrer:innenbildung. Die Fähigkeit zur biographischen Selbstreflexion ist seit 2004 in den KMK-Standards für die Lehrerbildung (Bildungswissenschaften) verankert und soll über “die Analyse und Reflexion der eigenen biographischen Lernerfahrungen mit Hilfe der theoretischen Konzepte” (KMK 2004/2019) im Studium umgesetzt werden. Diejenigen, die diese Reflexionen anleiten (sollen), sind die Lehrerbildner:innen, die ihrerseits eben auch eigene (gesamt)biographische Erfahrungen mitbringen.
Aus dieser Perspektive auf das professionelle Handeln von Akteur:innen der Lehrer:innenbildung ergeben sich vielfältige Fragestellungen, wie beispielsweise: Welche biographischen Entwicklungsverläufe von Akteur:innen der Lehrer:innenbildung gibt es? Welche Bedeutung hat die eigene Biographie für professionelles Handeln und für das professionelle Selbstverständnis? Welche Bedeutung hat die Reflexion des eigenen Gewordenseins durch Dozierende für ihr professionelles berufliches Handeln und inwiefern reflektieren Dozierende dies bereits? Als didaktische Frage soll weiterhin angeführt werden, wie eine solche Reflexion methodengeleitet angebahnt werden kann?
Geplantes Format
Der Fokus dieses Offenen Formats liegt aus den genannten Gründen auf den Dozierenden und ihrem Selbstverständnis als Lehrerbildner:innen. Dem skizzierten Desiderat wollen wir uns mit einem offenen Format explorativ annähern. Hierzu werden Tagungsteilnehmende eingeladen, das eigene biographische Gewordensein gemeinsam und methodengeleitet zu reflektieren und auf dieser Grundlage über die o.g. Fragen zu diskutieren. Das Angebot soll angesichts der Notwendigkeit einer gewissen Offenheit der Teilnehmenden, eigene Erfahrungen zu teilen, mit einer begrenzten Teilnehmerzahl (maximal. 20) durchgeführt werden und gliedert sich wie folgt:
1.Vorstellungsrunde
2.Thematische Einführung,Besprechung des Ablaufs und wesentlicher Regeln der Zusammenarbeit (Respekt, Vertraulichkeit, Freiwilligkeit)
3.methodischer Impuls zur individuellen Reflexion des ‘professionellen Gewordenseins’ und der berufsbiographischen Entwicklung
4.Austausch über die Erkenntnisse in Kleingruppen
5.Austausch und Diskussion der Erfahrungen und Erkenntnisse in der Großgruppe, z.B. vor dem Hintergrund folgender Fragestellungen:
-In welchem Spannungsfeld zwischen Forscher/in und Lehrerbildner/in kann man die eigene Rolle beschreiben?
-Wie kann und sollte man sich in der professionellen Rolle als Dozierende selbst thematisieren?
-Welche Rolle spielt die eigene Erfahrung für die Lehre? Wie kann man themenunabhängig die eigene Betroffenheit reflektieren?
-Wie können die Erkenntnisse in professionstheoretische Wissensbestände einordnen werden?
-Welche Desiderata und Forschungsfragen können identifiziert werden?
6.Abschluss: Fazit und Ausblick, check-out,

Zielsetzung
Mit diesem offenen Format möchten wir uns zunächst explorativ der Bedeutsamkeit der eigenen Biographie im professionellen Handeln von Lehrerbildner:innen annähern und über eine Einladung zur (Selbst)Reflexion dieses Phänomen zum Thema machen. Zudem erhoffen wir uns aus der Diskussion mit Akteur:innen und Forschenden Denkanstöße für die Auseinandersetzung mit offenen (Forschungs)Fragen und deren Ausdifferenzierung. Ebenso ist es unser Anliegen eine Vernetzung der Teilnehmenden zur weiteren Diskussion und Auseinandersetzung mit diesem Thema zu ermöglichen.

Literatur
Bernfeld, S (1971).: Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Frankfurt/M.
Epp, A. (2022): Biografiearbeit im Rahmen von Supervision. Ungenutzte Potenziale für die Lehrer:innenbildung. In: Zeitschrift für Schul- und Professionsentwicklung, 4(3), S. 122-137.
Gudjons, H. et al. (2020): Auf meinen Spuren. Übungen zur Biografiearbeit. 8., unveränderte Auflage. München: Verlag Julius Klinkhardt.
Hörnlein, M. (2020): Professionalisierungsprozesse von Lehrerinnen und Lehrern. Biographische Arbeit als Schlüsselqualifikation. Wiesbaden: Springer.
Junge, A. (2020). Sonderpädagog:in werden: Auf dem Weg zu einer professionellen Haltung. Eine rekonstruktive Studie im Kontext inklusionsorientierte Lehrer:innenbildung. Verlag Julius Klinkhardt.
Kultusministerkonferenz (KMK). (2004/2019). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards-Lehrerbildung-Bildungswissenschaften.pdf
Kunze, K. (2011). Professionalisierung als biographisches Projekt. Professionelle Deutungsmuster und biographische Ressourcen von Waldorflehrerinnen und -lehrern. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Neuß, N. (2009). Biographisch bedeutsames Lernen. Empirische Studien über Lerngeschichten in der Lehrerbildung. Verlag Barbara Budrich.
Nölle, Karin; Czerwenka, Kurt (2014): Forschung zur ersten Phase der Lehrerbildung. In: Ewald Terhart, Hedda Bennewitz und Martin Rothland (Hg.): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Münster, New York: Waxmann, S. 468–488.
Terhart, E. (2011). Lehrerberuf und Professionalität: Gewandeltes Begriffsverständnis – neue Herausforderungen. In W. Helsper & R. Tippelt (Hrsg.), Pädagogische Professionalität (Zeitschrift für Pädagogik, 57. Beiheft) (S. 202–224). Weinheim: Beltz.

Hauptautoren

Dr. Franziska Heyden (Universität Rostock) Dr. Miriam Hörnlein (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) Dr. Lea Kallenbach (Universität Erfurt) Claudia Zecher-Tatewosjan (Universität Rostock)

Präsentationsmaterialien

Es gibt derzeit keine Materialien.