25.–27. Sept. 2024
Universität Trier
Europe/Berlin Zeitzone

(De-)Thematisierung von Differenz, Diskriminierung und Ungleichheit in der Lehrer:innenbildung - Empirische Erkundungen zu Positioniertheiten und Adressierbarkeiten von Lehrkräftebildner:innen

26.09.2024, 15:00
1 h 45m
B17 (B-Gebäude)

B17

B-Gebäude

Arbeitsgruppe Gesamtprogramm Arbeitsgruppen am Donnerstag

Sprecher

Yasemin Uçan (Universität zu Köln)

Beschreibung

Wenngleich soziale Verhältnisse der Differenz, Diskriminierung und (Bildungs-)Ungleichheit relevante Topoi in erziehungswissenschaftlichen und bildungspolitischen Debatten sind, gewinnt deren professionalisierungswirksame Auseinandersetzung in der Lehrer:innenbildung nur langsam an Bedeutung (Barasi i.E.). Zugleich verweisen erste Forschungen zu entsprechenden Professionalisierungsräumen auf spezifische Dynamiken. Sie beziehen sich auf die Wechselwirkung zwischen Schulentwicklung und Professionalisierung (Doğmuş/Steinbach i.E.), auf thematische Aushandlungen zwischen (angehenden) Lehrer:innen (Barasi i.E.; Doğmuş i.E.; Steinbach/Tilch i.E.) und schließlich auch auf Positioniertheiten und Adressierbarkeiten von Lehrkräftebildner:innen. Differenz, Diskriminierung und (Bildung-)Ungleichheit konstituieren sich somit als Gegenstand der Professionalisierung und währenddessen auch als komplexes Bedingungsgefüge der Professionalisierungsräume.

Dabei sind drei analytisch differenzierbare Aufmerksamkeitsrichtungen bedeutsam: (1) Die eigene soziale Positioniertheit etwa bei der Übernahme der Aufgabe als Fortbildner:in für Lehrkräfte, die im Rahmen der eigenen (Berufs-)Biografie relevant gesetzt wird (Uçan et al. i.E.). Dies zeigt sich auch in einer zunehmenden wissenschaftlichen Aufmerksamkeit für die Diversifizierung von Schulkollegien und Beobachtung von Differenzkategorien, wie etwa Lehramtsstudierende ohne Abitur (Klomfaß/Epp, 2021) oder Lehrpersonen, denen das Etikett “Migrationshintergrund” zugeschrieben wird (Terhart, 2021). (2) Die Adressierbarbeiten von Lehrkräftebildner:innen im Rahmen sozialer Positioniertheiten mit der Herstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden (Barasi i.E.) und (3) die Adressierbarkeiten von Lehrkräftebildner:innen im Rahmen der Thematisierungsmodi von Differenz, Diskriminierung und Ungleichheit, in die soziale Positioniertheiten eingewoben sein können.

Die Arbeitsgruppe knüpft an dieses komplexe Bedingungsgefüge an und fragt an der Schnittstelle von Differenz- und Professionstheorie nach den Zusammenhängen der Positioniertheiten von (angehenden) Lehrer:innen und Lehrkräftebildner:innen sowie den Adressierbarkeiten von Lehrkräftebildner:innen, die vor dem Hintergrund sozialer Positioniertheiten und den Anforderungen bei der Thematisierung von Differenz, Diskriminierung und Ungleichheit aktiviert werden können. Somit greift die Arbeitsgruppe ein Desiderat auf, mit dem das Zusammenspiel von Differenz, Diskriminierung und Ungleichheit nicht nur als Potenzial für Professionalisierungsprozesse in der Lehrer:innenbildung, sondern auch als Potenzial für die Professionalisierung von Lehrkräftebildner:innen, folglich der Gestaltung einer differenzkritischen (Schul-)Pädagogik mit Blick auf Spannungsfelder und Widersprüchen diskutierbar wird.

Diese Fragen sollen anhand ausgewählter Ergebnisse von qualitativen Forschungsprojekten zur Lehrkräftebildung an Hochschule (Vortrag1) und zu berufsbegleitenden Lehrkräftefortbildungen (Vortrag 2 und 3) sowie übergreifend diskutiert werden.

„Naja, [der Professor] ist zwar auch PoC, aber er ist halt trotzdem nicht wie du und ich“ – Thematisierbarkeit migrationsgesellschaftlicher Ungleichheitsverhältnisse im Kontext der sozialen Positioniertheit und Adressierbarkeit von Lehrkräftebildner:innen im Lehramtsstudium

Dennis Barasi

Lehrkräftebildner:innen in der universitären Lehrer:innenbildung sind nicht nur migrationsgesellschaftlich, sondern auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen ‚Statusgruppen‘ innerhalb der Universität unterschiedlich positioniert (Karakaşoğlu 2016). Ausgehend von einer empirischen Studie, in der Professionalisierungsprozesse rassismuskritisch analysiert werden, wird untersucht, inwiefern Lehrkräftebildner:innen von Lehramtsstudierenden hinsichtlich der oben genannten Dimensionen positioniert werden. Daran anknüpfend wird im ersten Vortrag erörtert, inwiefern sich diese Positionierungen darauf auswirken, ob die von den positionierten Lehrkräftebildner:innen angebotenen Seminare von Studierenden als Reflexionsräume wahrgenommen werden, die das Sprechen über Rassismus(-erfahrungen) ermöglichen.
Umfangreiche, teilweise über zwei Semester reichende, Teilnehmende Beobachtungen in erziehungswissenschaftlichen und physikdidaktischen Seminaren, die durch Forschungsgespräche (Breuer et al. 2019) mit Lehramtsstudierenden aus den Seminaren ergänzt werden, fundieren diesen Beitrag empirisch.

„Weil das einen nochmal so richtig in der Komfortzone erwischt“ – Ambivalente Adressierungen an Lehrer:bildner:innen im Kontext rassismuskritischer Professionalisierungsprozesse am Beispiel der dritten Phase der Lehrer:innenbildung

Aysun Doğmuş und Anja Steinbach

Der zweite Vortrag rekonstruiert explizite und implizite Adressierungen an Lehrkräftebildner:innen, die sich im Rahmen von Fortbildungen während der inhaltlichen und (selbst-)reflexiven Auseinandersetzung mit Rassismus entfalten und mindestens in zweierlei Hinsicht ambivalent sind: Die Thematisierung soll (1) nicht appellhaft-moralisierend, die „Komfortzone“ störend oder das Engagement gegen Rassismus übersehend sein und sich (2) an den sozialen Positioniertheiten der Teilnehmer:innen orientieren. Damit wird der empirische Blick auf die Fortbildungsinhalte zu Rassismus/-kritik, Aushandlungen, (Um-)Deutungen, Annäherungen und Distanzierungen gerichtet und die sich aus den ambivalenten Adressierungen evozierten Anforderungen an Lehrer:bilder:innen diskutiert. Die Analysen sind Bestandteil zweier qualitativ-rekonstruktiven Studien, die in rassismuskritisch angelegten Langzeitfortbildungen mit dem Fokus auf die Wechselwirkung von Schulentwicklung und Professionalisierung entstanden sind. Der Vortrag bezieht sich auf Analysen der teilnehmenden Beobachtung, sowie auf Interviews und Gruppendiskussionen mit Lehrer:innen und Schulsozialpädagog:innen.

“und auch von Schicksalen und Dinge mit denen hat‘ ich vorher nichts zu tun”. Berufsbiografische Konstruktionen von Lehrkräftefortbildner:innen zwischen Privilegierungen und Benachteiligungen

Yasemin Uçan und Henrike Terhart

Mit dem Anspruch, durch sprachliche Bildung Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken, wurden in den letzten Jahren entsprechende Maßnahmen an deutschen Schulen etabliert. Eine zentrale Rolle kommt darin Fortbildner:innen zu, die Lehrkräfte berufsbegleitend weiterqualifizieren. Ausgehend von einem berufsbiografischen Professionsverständnis soll der Frage nachgegangen werden, wie Lehrkräftefortbildner:innen die eigene Berufsbiografie vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Differenzkategorien entwerfen und verhandeln. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die intersektionale Verschränkung sozialer Differenzen gerichtet, die als benachteiligende und privilegierende Faktoren in den pädagogischen Selbstpositionierungen wirksam werden. Auf der Basis von (berufs-)biografischen Erzählungen von Lehrkräftefortbilder:innen wird im dritten Vortrag aufgezeigt, dass ein Teil von ihnen den Abbau sozialer Ungleichheiten als handlungsleitendes Motiv für ihr Engagement in der sprachlichen Bildung darlegt, dieses jedoch unterschiedlich gelagert begründet.

Literatur
Barasi, D. (i.E.). Studieren unter Bedingungen des ökonomisierten Lehramtsstudiums. Eine rassismuskritische Perspektive auf Professionalisierungsprozesse angehender Lehrer:innen. Wiesbaden: Springer VS.

Breuer, F./Muckel, P./Dieris, B. (2019): Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung in die Forschungspraxis. Wiesbaden: Springer VS.

Doğmuş, A. (i.E.). Gleichheitsbekundungen unter Verbündeten - Rassismus und das Un-/Sagbare an den Schnittstellen von Professionalisierung, Schule und Schulentwicklung. In K. Bräu, J. Budde, M. Hummrich & F. Klenk (Hrsg.), Vielfaltsorientierung und Diskriminierungskritik. Opladen: Barbara Budrich.

Doğmuş, A./Steinbach, A. (i.V.). Symbolische Ordnung in der Krise – Schulische Transformation im Spannungsfeld institutionalisierter Routinen und rassismuskritischer Professionalisierung am Beispiel von Lehrer:innenfortbildungen. Zeitschrift für erziehungswissenschaftliche Migrationsforschung, 2/2024.

Karakaşoğlu, Y. (2016). Hochschule. In P. Mecheril (Hrsg.), Handbuch Migrationspädagogik (S. 386-402). Weinheim: Beltz/Juventa.

Klomfaß, S./Epp, A. (Hrsg.) (2021). Auf neuen Wegen zum Lehrberuf. Bildungsbiografien nicht-traditioneller Lehramtsstudierender und biografisches Lernen in der Lehrerbildung. Weinheim/Basel: Beltz/Juventa.

Steinbach, A./Tilch, A. (i.E.). Zur Bedeutung und Funktion von Lachen im Sprechen über Rassismus. Abwehr und (De)Thematisierungen im Fortbildungskontext. In K. Bräu, J. Budde, M. Hummrich, F. C. Klenk (Hrsg.), Vielfaltsorientierung und Diskriminierungskritik. Ansprüche und Widersprüche schulischer Bildung. Opladen: Barbara Budrich.

Terhart, H. (2021). Teachers in Transition. A Biographical Perspective on Transnational Professionalisation of Internationally Educated Teachers in Germany. European Educational Research Journal, 21(2), 293-311.

Uçan, Y./Lawida, C./Sieger, S./Terhart, H./Roth, H.-J. (eingereicht). Multiplikation in der Lehrkräftefortbildung. Eine Typologie des (berufs-)biografischen Selbstverständnisses von Multiplikator:innen in der sprachlichen Bildung. Lehrerbildung auf dem Prüfstand.

Hauptautoren

Prof. Anja Steinbach (Universität Flensburg) Prof. Aysun Doğmuş (TU Berlin) Dr. Dennis Barasi (Universität Bremen) Prof. Henrike Terhart (Ruhr-Universität Bochum) Yasemin Uçan (Universität zu Köln)

Präsentationsmaterialien

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